Sárvár. Lichter und Schatten der Geschichte
Könige, Adelige und Bürger spielten in der Geschichte der Stadt Sárvár eine ebenso wichtige Rolle. Man mag zwar die Geschichte einer jeden Siedlung im Altertum beginnen und in der Römerzeit fortsetzen, dies ist aber umso mehr ein Zeichen dafür, dass der bestimmte Ort bereits in frühester Zeiten das Überleben von menschlichen Gemeinschaften sichern konnte. Der Fluss, der reiche Wald, die fruchtbare Erde und das Treffen von Straßen sind alle Faktoren, die dazu beitragen, dass die Jahrhunderte die Geschichte einer Stadt, oder eines Dorfes nicht vergessen machen, sondern viel mehr bereichern. In einem glücklichen Fall wählt eine auch in der nationalen Politik tragende Rolle spielende Familien, Adelige, oder edle Damen die Stadt zu ihrem Wohnsitz erkürt haben. natürlich ist das Verhältnis zwischen dem Burgherr und der Stadt nicht immer ungetrübt, sehr oft werden Städte aufgrund ihrer Lage verwüstet, aber in der Moderne wird all dies Teil der Historie und bereichert die Ortschaft mit all ihrer Schönheit und Schwierigkeit. Für Sárvár scheint dies jedenfalls zu gelten.
An zahlreichen Punkten der modernen Stadt wurden Erinnerungen aus alten Zeiten gefunden, ganz interessant sind die Keramiken mit keltischen Schriftzeichen, oder die aus der Römerzeit erhalten gebliebenen Fundstücke, aber die Geschichte der Stadt beginnt eher im Mittelalter. Ab dem 13. Jahrhundert ist die Stadt ständig bewohnt. Die erste Angabe ist mit der Stadt verbunden, des Königs Untertan ruft die Adeligen des Komitates zu einer Sitzung in dem Jahre 1288. Dies ist eine schwierige, umkämpfte Zeit, als die Burg, die sich in dem Besitz des Königs Róbert Károly befindet, ein Schauplatz des Bürgerkrieges wird. Im Endeffekt klärt der Herrscher die Situation und bekräftigt die früher erworbenen Privilegien auf den Wunsch der Einwohner. Diese sind tatsächliche städtische Privilegien, die zu der Entwicklung der Stadt beitragen. Die Stadt konnte ihre Richter, die in Streitfällen entscheiden konnten, selbst wählen. Der wirtschaftlichen Entwicklung diente die Zollfreiheit der Händler der Stadt, die so auf den lokalen Märkten in einer günstigen Lage waren.
Das Zentrum von Sárvár ist bereits zu dieser Zeit die Burg, deren Besitzer auch in der nationalen Politik eine Karriere gemacht haben. Die Vergangenheit der Stadt zeigt aus der ungarischen Geschichte wohlbekannte Namen: Kanizsai, Rozgonyi, Nádasdy, Draskovich. Die Burg befand sich immer im Herzen der Stadt, nicht auf der Spitze eines Berges, oder am Rande der Gemeinde, sondern praktisch in der Nachbarschaft des Marktes. Sie spielt auch heute eine zentrale Rolle im Leben der Einwohner, sie ist ein natürlicher Treffpunkt, das Zentrum des Kulturellen Lebens im Sommer und im Winter und beheimatet das über das ganze Jahr geöffnete Museum mit international anerkannten Sammlungen. Die Förderung der Kultur war besonders in dem 16. und 17. Jahrhundert wichtig, als die Nádasdy-Familie nicht nur das politische Leben Ungarns, sondern durch die Förderung der Kultur das Weiterleben des Königreiches Ungarn in der Zeit der Ottomanen mitbestimmt hatte. Protestantische Pastoren (wie Mátyás Dévai Bíró), über die Kämpfe berichtende, wandernde Dichter (Sebestyén Tinódi Lantos), oder der talentierte und gebildete János Sylvester fanden ihr Zuhause hier. Der Letztere hat nicht nur eine Schule gegründet, sondern den Namen der Stadt in das goldene Buch der ungarischen Bildung eingetragen. Im Jahre 1541, als die Hauptstadt Buda von den Türken erobert wurde, ist das Neue Testament, das erste Buch in ungarischer Sprache, welches in Ungarn gedruckt wurde, in seiner Übersetzung in Sárvár erschienen
Selbstverständlich war das Verhältnis zwischen dem Besitzer der Burg und der Stadt, sowie den Bürgern nicht immer ungetrübt. Anfang des 18. Jahrhunderts kam es vor, dass die Knechte des Gutsherren nicht nur einen Bürger der Stadt, sondern auch den Bürgermeister verprügelt hatten. In dem Streit ging es um Geld, denn der Burgherr wollte höhere Steuern eintreiben. Die Situation wirde so ernst, dass der König eingreifen musste. Am Ende hat die Draskovich-Familie ihre Güter zu Sárvár abgegeben. Die spannende Periode geht weiter, denn die Burg wurde mehrmals verkauft. Unter den neuen Eigentümern waren aus der Sicht der Entwicklung der Stadt die Vertreter des Este-Modena Zweiges des Habsburger Hauses von tragender Bedeutung. Franz, Herzog von Modena, der bis zu dem Jahr 1846 über vier Jahrzehnte Herrscher des norditalienischen Herzogtums war, wurde ab dem Jahr 1803 Eigentümer der Burg. Die Gebäude, welche das Stadtbild heute noch prägen, wurden zu dieser Zeit errichtet und auch die Fundamente für das Aufblühen des wirtschaftlichen Lebens wurden geschaffen. Der wirtschaftliche Boom nach dem Ausgleich (1867) begrüßt die Burg mit einem neuen Besitzer. Maria Theresia Dorothea, die Herzogin von Modena, verliebte sich in den bayrischen Fürsten Ludwig. Die Familie des letzteren war von der neuen Bekanntschaft wenig erfreut, so ist das junge Paar praktisch nach Sárvár geflohen. Die Bürger der Stadt haben sie geliebt und diese Liebe war gegenseitig. Ludwig wurde in der Zwischenzeit König von Bayern und so ist er in der Burg von Sárvár im Jahre 1921 als letzter bayrischer König verstorben. Zwischen den beiden Weltkriegen hielt sich die Familie oft in der Stadt auf und es kam sogar zu einer herzoglichen Hochzeit.
Die wirtschaftliche Lage war jedoch nicht immer rosig und so sind viele Leute ausgewandert. Einer der Ziele war Belgien, von wo aus viele nach Hause gekommen sind. Aus dem mitgebrachten Geld wurden die Bauarbeiten eines neuen Stadtteiles begonnen. Die geraden, zueinander lotrechten Straßen des A Kertváros (Gartenstadt) zeugen von der Planung. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieb ein in Sárvár geborener Schriftsteller die Atmosphäre der Kleinstadt als staubig und verträumt. Er hatte nicht recht, die Straßen waren zwar staubig, aber die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts funktionierende Zuckerfabrik, die kleineren-größeren Betriebe, oder der auch noch heute schmackhafte Happen bietende Fleischereibetrieb, sowie die Pepsi-Fabrik waren alle ein Anzeichen dafür, dass die Stadt weiterhin Teil des Wirtschaftslebens ist. Nach der politischen Wende nahm die Stadt eine tragende Rolle im Tourismus ein. Das Erholung und Erquickung bietende Bad, das Museum und die Festivals tragen alle dazu bei, dass Sárvár seit Jahren zu den meistbesuchten Städten zählt. Die Einwohner der Stadt heißen Gäste immer mit Freude willkommen.